Das deutsche Familienrecht geht davon aus, dass sich Ehegatten die Arbeit in der Familie absolut gleichmäßig aufteilen. Entweder ein Partner arbeitet und der andere kümmert sich um den Haushalt. Möglicherweise arbeiten auch beide oder gar keiner. Auf jeden Fall sollen die gemeinsamen Beiträge zum Eheleben gleichwertig sein.
Im Falle einer Scheidung wird dann aber geprüft, wie sich das Vermögen der Ehegatten entwickelt hat. Wenn einer von beiden (bspw. der Mann) im Laufe der Ehe einen größeren Vermögenszuwachs erreicht hat als der andere (bspw. die Frau), dann spricht das dafür, dass die Leistung der Frau hierzu beigetragen hat.
Daher wird es als gerecht angesehen, diese Zugewinnen auszugleichen. Der Mann muss also die Frau dafür entschädigen, dass sie einen geringeren Vermögenszuwachs geschafft hat als er.
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Was bedeutet Zugewinngemeinschaft?
Die Zugewinngemeinschaft beruht auf der Vorstellung, dass Mann und Frau in der Ehe gemeinsam und gleich produktiv arbeiten. Beide haben jeweils hälftigen Anteil am finanziellen Erfolg der Ehe – und das gilt ausdrücklich auch, wenn eine Topmanagerin mit einem Hausmann verheiratet ist. Sofern also am Ende einer Ehe (Scheidung oder unter Umständen auch Tod) unterschiedliche Vermögenszuwächse bei den Ehegatten vorliegen, ist dies grundsätzlich dem Zufall geschuldet und muss daher ausgeglichen werden.
Wie wird der Zugewinnanspruch berechnet?
Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen das Anfangsvermögen übersteigt. Mathematisch ausgedrückt ist das eine einfach Subtraktion:
Zugewinn = Endvermögen – Anfangsvermögen
Der Zugewinn kann übrigens nie negativ sein. War das Anfangsvermögen höher als das Endvermögen, hat der Ehegatte nichts hinzugewonnen, der Zugewinn wird auf null festgelegt.
Besteht der Zugewinn dagegen einfach darin, dass nun weniger Schulden als vorher vorhanden sind, so ist dies trotzdem ein Zugewinn.
Man weiß nun also, wessen Zugewinn höher ist. Ob ein Ehepartner reicher ist als der andere, ist nicht von Bedeutung, es geht nur um die Höhe des Zugewinns. Wer den höheren Zugewinn hat, muss diesen „übermäßige Zugewinn“ zur Hälfte auf den anderen Ehepartner übertragen. (§ 1378 Abs. 1 BGB) Die Ausgleichszahlung wird also so festgelegt, dass danach die beiden Zugewinne gleich sind.
Zugewinnausgleich = 1/2 (höherer Zugewinn – niedrigerer Zugewinn)
Dieser Ausgleich ist aber tatsächlich nur eine Geldzahlung. Ein Ehegatte hat keinen Anspruch darauf, bspw. eines von zwei gekauften Autos zu bekommen. (Freilich können sich die Ehegatten aber darauf einigen.)
Der ausgleichspflichtige Ehegatte muss aber maximal sein gesamtes Vermögen für den Zugewinnausgleich einsetzen, verschulden muss er sich nicht. (§ 1378 Abs. 2 Satz 1 BGB)
Wie wird das Endvermögen beim Zugewinnausgleich berechnet?
Das Endvermögen ist sehr viel leichter zu berechnen, man muss weder einen lang vergangenen Eigentumsstand nachvollziehen noch das Ergebnis indizieren.
Stichtag ist hier die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrag, also der Tag, an dem dem anderen Ehegatten der Scheidungsantrag durch das Gericht zugestellt wird. (§ 1384 BGB)
Wie wird das Anfangsvermögen beim Zugewinnausgleich berechnet?
Es muss ausgerechnet werden, wieviel jeder Ehegatte am Beginn der Ehe hatte. Vom Vermögen müssen natürlich Verbindlichkeiten abgezogen werden. (§ 1374 Abs. 1 BGB) Sind mehr Schulden als Werte vorhanden, ist das Anfangsvermögen eben negativ. (§ 1374 Abs. 3)
Stichtag ist also die Eheschließung. In den seltenen Fällen, in denen zunächst ein anderer Güterstand gewählt wurde und erst dann die Zugewinngemeinschaft vereinbart wurde, ist Stichtag der Beginn der Zugewinngemeinschaft.
Um die schwankende Kaufkraft zu berücksichtigen, wird das Anfangsvermögen „indexiert“. Man rechnet hoch, welchen Geldwert die ermittelte Summe zum Ende der Ehe hat. Hierfür verwendet man den Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts. Im BGB-Kommentar von Palandt (§ 1376, Rdnr. 31) ist die Tabelle mit den Indexwerten der verschiedenen Jahre abgedruckt. Der Index lag beispielsweise im Jahr 1971 bei 40,0 und 1993 bei 90,0 (die Werte sind natürlich nicht immer so rund). Ein Vermögen von umgerechnet 100.000 Euro im Jahr 1971 war also 1993 schon 225.000 Euro wert und muss bei einer Scheidung 1993 auch mit diesem Wert angesetzt werden.
Grundsätzlich wird übrigens vermutet, dass das Anfangsvermögen null war (§ 1377 Abs. 3). Diese Vermutung, die praktisch nie der Wahrheit entspricht, bedeutet im Endeffekt nur, dass jeder Ehegatte beweisen muss, welches Vermögen er am Anfang der Ehe hatte.
Was ist privilegiertes Anfangsvermögen?
Erhält einer der Ehegatten während der Ehe persönliche Zuwendungen von jemandem, so stellt dies an sich einen Zugewinn dar – das Eigentum ist ja nur im Endvermögen vorhanden, die Hälfte seines Wertes wäre somit im Rahmen des Zugewinnausgleichs zu bezahlen.
Um dieses unbillige Ergebnis verhindert man über das sogenannte „privilegierte Anfangsvermögen“. Dazu gehören gemäß § 1374 Abs. 2:
- Erbschaften
- Schenkungen
- Ausstattung, § 1624 BGB (Aussteuer, Mitgift: Leistungen der Eltern, die ihrem Kind den „Start ins Leben“ ermöglichen sollen)
Dieses privilegierte Anfangsvermögen wird dem Anfangsvermögen des Empfängers hinzugerechnet.
Wann ist der Zugewinnausgleich unbillig?
Wäre der Zugewinnausgleich unbillig, kann der Verpflichtete die Leistung ganz oder teilweise verweigern, § 1381 BGB. Das ist zum einen der Fall, wenn sie den Verpflichteten in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährden würde. Auch eine lange Trennung während formal noch bestehender Ehe gehört in diese Kategorie, ebenso wie eine sehr kurze Ehe (in der sich dann aber regelmäßig schon kein hoher Zugewinn entwickelt haben kann).
Die Unbilligkeit kann sich aber auch aus dem Verhalten der Berechtigten ergeben. Eine genaue Definition ist nicht möglich, in Betracht kommen vor allem folgende Verfehlungen:
- wirtschaftliche Pflichtverletzungen, z.B. ungenügende Beiträge zum Unterhalt der Familie während der Ehe
- mangelhafte Verwaltung des eigenen Vermögens, z.B. Ungenutztlassen von Erwerbschancen (strittig)
- Misshandlungen des Ehegatten
- sexuelle Untreue (ehebrecherische Beziehungen, Seitensprünge)
Wann kann der Ehegatte die Stundung des Zugewinnausgleichs verlangen?
Der Schuldner kann beim Familiengericht aber auch beantragen, dass ihm die Ausgleichsleistung gestundet wird (§ 1382 BGB), wenn er sie nicht sofort und in voller Höhe bezahlen kann. Da die Summe in diesem Fall zu verzinsen ist und möglicherweise sogar Sicherheitsleistung erbracht werden muss, wird von dieser Option eher selten Gebrauch gemacht.
Beispiele zum Zugewinnausgleich
Die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist manchmal ein juristisch-mathematisches Kunststück. Einige nachvollziehbare Beispiele finden sie hier.
Der Zugewinnausgleich in der Verfassungsbeschwerde
Fragen des Zugewinnausgleichs können in der Verfassungsbeschwerde eine Rolle spielen. Hier kann es bspw. darum gehen, wie bestimmte Bestandteile des Vermögens zu werten sind. Auch die Frage, ob das berechnete Vermögen zugrunde gelegt werden darf oder nicht verfassungsrechtliche Korrekturen anzubringen sind, muss geprüft werden.