In Streitfällen rund um das Familienrecht müssen häufig die Gerichte entscheiden. Zuständig dafür sind spezielle Spruchkörper der Zivilgerichte, die sich auf das Familienrecht konzentrieren und Experten auf diesem Gebiet sind.
Im gerichtlichen Verfahren ist von Bedeutung, dass es nicht streng um eine prozessuale Auseinandersetzung mit gegensätzlichen Standpunkten der Parteien geht, sondern auch übergeordnete Interessen (bspw. diejenigen der Kinder) berücksichtigt werden müssen.
Inhalt
Familienpsychologisches Gutachten
Sachverständige und ihre Gutachten haben mittlerweile einen hohen Stellenwert vor Gericht. Eigentlich sollten sie dem Richter nur die Sachkenntnis vermitteln, die er selbst nicht hat. Darüber hinaus werden die Gutachter aber heute als „heimliche Richter“ angesehen, weil ihre Expertisen häufig das Urteil vorwegnehmen.
Familienpsychologen sind im Verfahren dafür da, die Erziehungsfähigkeit der Beteiligten einzuschätzen und so insbesondere darzulegen, ob Eltern geeignet sind, das Sorgerecht für ihre Kinder auszuüben.
Bedeutet Psychologe, dass mit mir etwas nicht stimmt?
Nein, überhaupt nicht.
Aber das Gericht braucht eben eine Einschätzung der Beteiligten. Der Psychologe hilft dabei, dass gerade die Eltern ihre Einstellungen zum Kind und ihre Erziehungsansätze darlegen können.
Im Verfahren gab es aber schon ein familienpsychologisches Gutachten.
Das verhindert nicht, dass ein zweites Gutachten erstellt wird. Denn das Problem bei Gerichtsgutachten ist häufig, dass die Gerichte stets mit den gleichen Gutachtern zusammenarbeiten.
Positiv gesagt haben diese Gutachter dann eine gewisse Routine und Expertise. Negativ gesagt werden diese Gutachten häufig gar nicht mehr durch das Gericht hinterfragt. In manchen Fällen ist auch eine gewisse „Fließbandarbeit“ zu beklagen, bei der nur noch standardisierte Punkte abgehandelt werden und die Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr ausreichend gewürdigt werden.
Gerade bei einer Wissenschaft wie der Psychologie, in der vieles nicht exakt vermessbar ist, ist es außerdem häufig sinnvoll, eine zweite Meinung einzuholen.
Was wird der Gutachter prüfen?
Das Prüfprogramm wählt der Gutachter aus. In aller Regel wird aber besondere Rücksicht auf das laufende bzw. kommende Verfahren genommen. Auch Passagen im Gerichtsgutachten, die von Ihnen als unzutreffend oder besonders negativ wahrgenommen werden, kommen auf den Prüfstand und werden ggf. durch eigene Feststellungen des Privatgutachters ergänzt oder widerlegt.
Muss das Gericht dem Privatgutachten folgen?
Nicht zwingend.
Wenn das Gutachten aber in das Verfahren als Beweismittel eingebracht wird, muss es grundsätzlich berücksichtigt werden. Wenn es zwei sich widersprechende Gutachten gibt, ist es die Pflicht des Gerichts, zwischen diesen abzuwägen und ggf. selbst weitere Tatsachen abzuwägen.
Das Gericht kann dann aber nicht mehr pauschal darauf verweisen, dass der (einzige) Sachverständige ja eine klare Aussage getroffen hätte.
Muss ich auch ein negatives Ergebnis des Gutachtens dem Gericht mitteilen?
Nein.
Sie behalten die Hoheit über das Gutachten und können dieses im Verfahren nutzen, müssen dies aber nicht tun.
Wo finde ich einen Privatgutachter?
Entsprechende Anbieter finden Sie in der Regel im Internet. Wichtig ist aber, dass es sich um einen fachlich kompetenten Gutachter handelt, der durch seine Formulierungen und das Prüfprogramm zeigt, dass er sich mit der Materie auskennt. Es darf sich auch um kein „Gefälligkeitsgutachten“ handeln, das einfach nur das niederschreibt, was Sie sich wünschen.
Können Sie einen Gutachter empfehlen?
Aus verschiedenen Verfahren kenne ich den Wissenschaftlichen Dienst für Familienfragen aus Mannheim. Das Institut ist bundesweit tätig.
Mehr Informationen:
Mit welchen Kosten muss ich rechnen?
Für ein familienpsychologisches Privatgutachten fallen in der Regel Kosten zwischen 800 und 2000 Euro, ggf. zzgl. Mehrwertsteuer, an. Klären Sie dies unbedingt vorher mit dem Anbieter ab.
Muss ich die Kosten für das Gutachten selbst tragen?
In der Regel ja.
Es gibt allerdings auch Rechtsprechung, die besagt, dass Privatgutachten im Rahmen der Prozesskostenhilfe übernommen werden können.
Instanzen und Verfahrensrecht
Welche Gerichte entscheiden im Familienrecht?
Erstinstanzlich sind die Amtsgerichte, in diesem Fall bezeichnet als Familiengerichte, zuständig. Die Beschwerdeinstanz sind dann die Familiensenate beim Oberlandesgericht. Gegen die OLG-Entscheidung ist nur in seltenen Fällen die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof möglich.
Welches ist das höchste deutsche Familiengericht?
Die Familiengerichtsbarkeit ist nicht – wie wie etwa die Sozial- oder Finanzgerichtsbarkeit – ein eigener Gerichtszweig. Die Familiengerichte sind Abteilungen der Amtsgerichte, der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshof.
Beim BGH ist der zwölfte Zivilsenat für das Familienrecht zuständig – dieser ist also der höchste Spruchkörper für diese Materie.
Welches Gericht ist für das Scheidungsverfahren zuständig?
Die örtliche Zuständigkeit des Familiengerichts für das Scheidungsverfahren regelt § 122 FamFG:
Ausschließlich zuständig ist in dieser Rangfolge:
1. das Gericht, in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit allen gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
2. das Gericht, in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit einem Teil der gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern bei dem anderen Ehegatten keine gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben;
3. das Gericht, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt gehabt haben, wenn einer der Ehegatten bei Eintritt der Rechtshängigkeit im Bezirk dieses Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
4. das Gericht, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
5. das Gericht, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;
6. das Amtsgericht Schöneberg in Berlin.
Es handelt sich dabei um ausschließliche Zuständigkeiten, die noch dazu in einem Rangverhältnis zueinander stehen. Soweit also eine niedrigere Nummer aus diesem Paragraphen erfüllt ist, findet das Verfahren auch zwingend vor genau diesem Gericht statt.
Das bedeutet also:
Lebt ein Partner mit allen gemeinsamen minderjährigen Kindern zusammen, dann findet die Verhandlung auch bei ihm statt. (Nr. 1) Leben einige der gemeinsamen minderjährigen Kinder beim einen Partner und keines beim anderen (und damit denklogisch notwendig weitere Kinder bei irgendjemand anderem, was eher selten sein dürfte), dann ist bei diesem Partner der Gerichtsstand. (Nr. 2) Wohnt einer der Ehegatten noch immer im selben Gerichtsbezirk, in dem die eheliche Wohnung zuletzt lag, (aber nicht notwendigerweise im selben Ort oder gar im selben Haus), dann ist das Gericht zuständig. (Nr. 3)
Kann nach keiner dieser drei Sonderzuständigkeiten ein Gericht festgelegt werden, geht das FamFG zum ZPO-Regelfall über: Verhandelt wird am Gericht, in dessen Bezirk der Beklagte (der hier „Antragsgegner“ heißt) wohnt. (Nr. 4) Gibt es kein solches (deutsches) Gericht, wohnt der Antragsgegner also im Ausland, dann kann der andere Ehepartner den Scheidungsantrag bei seinem eigenen Gericht stellen. (Nr. 5) Und hat keiner der Ehepartner eine Wohnung im Inland, so notfalls das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zuständig. (Nr. 6)
Was sind Familienstreitsachen?
In Zivilverfahren, wenn also ein Bürger gegen den anderen klagt, richtet sich der Prozess nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO). Für das Verfahren bestimmten Zivilprozessen, nämlich in Angelegenheiten des Familienrechts und der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, gilt aber stattdessen grundsätzlich das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Aber auch das wird wieder ausgehebelt. denn für bestimmte Angelegenheiten gelten FamFG und ZPO nebeneinander in einer Art Hybridprozessrecht. Für Anwälte, die in solchen Fällen ihre Mandantn effektiv vertreten wollen, ist es existenziell wichtig, diese Regelung zu kennen und auch richtig anwenden zu können.
Diese Fälle sind gemäß § 113 FamFG:
- Ehesachen (§ 121): Aufhebung der Ehe, Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe und – in der Praxis die einzige relevante Ehesache – Scheidungen; im Verbund mit Scheidungen (§ 137) dann auch sog. Folgesachen, insb. Unterhalt und Sorgerecht, aber auch Dinge wie die Verteilung der Haushaltssachen (1568b BGB)
- Familienstreitsachen (§ 112): Unterhaltsansprüche, güterrechtliche Fragen sowie sonstige Verfahren, für die es keine Spezialregelungen im FamFG gibt (z.B. Streitigkeiten wegen eines Verlöbnisses, wegen Ansprüchen von Eltern gegen Kinder oder wegen des Umgangsrechts)
In diesen Sachen gibt es zum einen terminologische Besonderheiten, die nicht weiter problematisch sind: Statt Prozess heißt es „Verfahren“, statt Klage „Antrag“ oder statt Partei „Beteiligter“ – alles etwas weniger kämpferisch.
Weite Teile des FamFG gelten hier nicht, insbesondere die Vorschriften über
- das Verfahren an sich (Fristen, Anwaltszwang, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, …)
den Ablauf des erstinstanzlichen Verfahrens (Antragstellung, Amtsermittlung, Beweiserhebung, …) - die Förmlichkeiten der Entscheidung (Rechtsbehelfsbelehrung, Verkündung, Berichtigung des Beschlusses, Rechtskraftwirkung)
- Prozesskostenhilfe
- Vollstreckung
An deren Stelle treten die entsprechenden ZPO-Vorschriften. Davon gibt es aber wieder eine Rückausnahme. In Ehesachen (nicht auch in Familienstreitsachen) gilt die ZPO nicht, soweit es um folgende Dinge geht:
- unterbliebene oder verweigerte Erklärungen über Tatsachen und Urkunden
- die Bestimmung der Verfahrensweise, den frühen ersten Termin, das schriftliche Vorverfahren, die Güteverhandlung, die Klageerwiderung, die Klageänderung
- gerichtliche Geständnisse und Anerkenntnisse
- den Verzicht auf Beeidigung (insb. von Zeugenaussagen)
Vom FamFG bleiben in diesen Angelegenheiten in erster Linie die Vorschriften über die Ausgestaltung der Entscheidung, über den Instanzenzug sowie die Sonderregelungen der einzelnen Verfahrensarten im Zweiten Buch des FamFG.
Ganz grob muss man sich also folgende Fragen und in dieser Reihenfolge stellen, bevor man weiß, welches Recht genau anzuwenden ist:
- Gibt es eine Sonderregelung für diese Verfahrensart?
- Gibt es eine allgemeine Regelung im FamFG?
- Ist diese anwendbar?
- Gibt es eine Regelung in ZPO?
- Ist diese Regelung durch eine Rückausnahme ausgeschlossen?
Wer hier einen Fehler macht, kann gleich seine Anwaltshaftpflicht informieren. Aber gerade in familienrechtlichen Sachen geht es häufig um Dinge, die man durch Geld nicht so einfach wieder ausgleichen kann.
Woher kommt der Begriff von der Freiwilligen Gerichtsbarkeit?
Der Begriff ist historisch geprägt – seine genaue Herkunft wird hier dargestellt: https://sie-hoeren-von-meinem-anwalt.de/2015/02/die-freiwillige-gerichtsbarkeit/
Freiwilligkeit in dem Sinne, dass sich der Beteiligte aussuchen könnte, ob er am Verfahren teilnimmt, gibt es auch hier natürlich nicht?
Das familiengerichtliche Verfahren in der Verfassungsbeschwerde
Das Verfahren vor den Familiengerichten ist mit der Verfassungsbeschwerde relativ gut nachprüfbar. Das liegt daran, dass die beiden Instanzen, die es hier in der Regel gibt (Familiengericht und Oberlandesgericht) beide Tatsacheninstanzen sind, die den gesamten Sachverhalt ermitteln müssen.
Häufig wird man sich auf die Verletzung von Prozessrechten (rechtliches Gehör, faires Verfahren u.ä.) stützen können.